Bindsachsen und seine Geschichte
Aus unserem Festbuch zum Jubiläum 2002.
Von Hans-Velten Heuson.
Die liebliche Lage Bindsachsens in den gesegneten Fluren des Wolfsbachtales können es einem schon antun. Das Dorfbild freilich bietet durch die ausgleichende Kultur unserer Tage kaum noch etwas von den intimen Reizen, wie sie noch vor 50 und mehr Jahren vorhanden waren. Kaum noch eine Spur ist zu sehen von dem alten „Haingraben“, der einst das ganze Dorf umgab, nichts mehr von der alten Dorflinde vor dem Kirchhofstor.
Blick auf Bindsachsen vom Galgenberg:
Wir wissen, dass in der Gemarkung Bindsachsens vorgeschichtliche Funde gemacht worden sind, dass ganz in der Nähe Hügelgräber aufgedeckt wurden, dass hier auf der Seite der „Büdinger Mark“ schon Menschen wohnten, lange bevor es das Dorf selbst gab. Ursache zu dieser Frühbesiedelung gaben wohl die im Seemental, wie auch in den benachbarten Tälern des Floßbaches, des Wolfsbaches, der Bleiche und der Bracht vorkommenden Eisensteine, die schon vor und nach der Zeitenwende ein gesuchtes Objekt darstellten. Man muß sich einmal vorstellen, welche Umwälzung die Herstellung der Waffen und Werkzeuge aus Eisen in wirtschaftlicher und auch wehrwirtschaftlicher Hinsicht bedeutete. Manche Orts-, Flur- und Familiennamen weisen noch heute darauf hin. Ich nenne hier nur die Namen: Bleiche, Rinderbügen und Schächtelburg, Sinnerborn, Eisenköpfchen, Eisenruh, Schlackenborn, Eisenberg (-merk), Grubenbusch, Eisenpfad und schließlich den Familiennamen Sinner.
Zur Dorfgründungen kam es aber erst lange nach der Zeitwende. In der Regel nannten sich diese Siedlungen nach den Bachläufen, wie bspw. Seemen und Bracht, wo man erst später Ober-, Mittel- und Nieder-, bzw. Burg- und Kirch- vorsetzte. Die Gründung Bindsachsens gehört, wie Dr. W. Nieß in „Kreis Büdingen, Wesen und Werden“ es so fabelhaft herausgearbeitet hat, in der Zeit der „fränkischen Landnahme“, die etwa zwischen 500 und 800 nach Chr. anzusetzen ist. Der Anfang des Gemeinwesens wurde wohl an erhöhter Stelle am Lindenberg gemacht, da also, wo heute die Kirche steht. Die verschiedenen Schreibweisen des Namens: Benzensassen (1286), Byntzensassen (1324) oder Bintzensassen (1370) lassen nur den einen Schluss zu, dass mit dieser Ortsbezeichnung die „Sassen“ (Siedler) an oder bei den Binzen gemeint sein können.
Bindsachsen liegt inmitten einer alten Herrschaft, die von Nidder und Kinzig begrenzt wurde, der Herrschaft Büdingen. Den Kern dieser ausgedehnten Herrschaft bildete ein Forst, der „Büdinger Wald“. Eigentümer dieses Waldgebietes war nach einem Weistum von 1380 das Reich bzw. der Kaiser. Die Geschichte Bindsachsens ist auf eine höchst interessante Weise mit der Geschichte der Gerichte Wenings und Wolferborn und mit der, der „Büdinger Mark“ verbunden. Der um den Kirch- bzw. Lindenberg liegende Ortsteil lag nämlich im Wenings/Floßbacher Gerichtszwang, während der links des Wolfsbaches liegende Teil zu dem Gericht Wolferborn zählte. Beide Teile aber waren nur in der „Büdinger Mark“ berechtigt.
Wie war es zu einer solch verwickelten Lage gekommen? Bis zum Jahre 1370 wird Bindsachsen zum Gericht Floßbach bzw. Wenings gehörend in verschiedenen Urkunden genannt. In diesem Jahr (am 30. Mai) verkaufte Heinrich von Ysenburg und sein Sohn Johann das Schloß Wenings und die Stadt sowie die Dörfer des Gerichts Wenings an den Erzbischof Gerlach von Mainz. Unter anderen Dörfern wird in dieser Urkunde auch Bindsachsen genannt. Nur wenige Jahre später (1398) verleiht König Wenzel dem Edlen Johann von Ysenburg das Gericht Wolferborn als Burglehen der Reichsburg Gelnhausen. Unter den Gerichtsdörfern wird auch „Byntzensassen“ genannt.
Was war in der Zwischenzeit geschehen? Ursprünglich waren alle Dorfschaften rechts des Seemenbaches bis zur Nidder hin in einer Großmark Büdingen zusammengefasst. Nach und nach traten Veränderungen ein, die neue Rechts- und Markverhältnisse schafften. So schied das Gericht Floßbach/Wenings frühzeitig aus dem Verband aus, ohne dabei den Charakter der Großmark zu verändern. Erst mit der Einrichtung eines selbstständigen Gerichts Wolferborn änderten sich auch die rechtlichen Verhältnisse. Von jeher waren die Bewohner des Büdinger Waldes, d. h. die, die links der Seeme wohnten, nach dort gerechtet und verpflichtet.
Das Gericht über den Büdinger Wald versorgte das Reich, und es wurde abwechselnd in Gelnhausen und Wolferborn die Kirche gehalten. Bereits 1286 wird in Wolferborn ein Amtmann des Reiches genannt. Die Struktur des Gerichts änderte sich aber im ausgehenden 14. Jahrhundert. Trotz des Überganges der Gemeinde Bindsachsen in das Gericht Wolferborn gehörte sie noch bis zum Jahre 1831 zur Mark Büdingen. Auch gehörten noch bis in das 16. Jahrhundert Grundstücke rechts des Wolfsbaches in den Weningser Gerichtszwang.
Kriege und Seuchen, Steuern und Abgaben belasteten die Gemeinde. Bindsachsen hatte, wie alle Gemeinden unserer Heimat, unter den Kriegen zu leiden. Aber auch Krankheiten und Seuchen hielten in den vergangenen Jahrhunderten die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Zum ersten mal hören wir von Plünderungen in der „fuldischen Fehde“ 1464. Aus der Zeit der Bauernkriege und des Schmalkaldischen Krieges erzählen uns die Akten nichts, obwohl es als selbstverständlich anzusehen ist, dass Durchzüge von Truppen und Lieferungen an diese stets stattgefunden haben. Man denke nur an den Durchzug des Landgrafen Philipp von Hessen (Philipp der Großmütige) und an das Heerlager (30000 Mann) im Juni 1528 vor Hitzkirchen. Ungleich schlimmer erging es dem Dorf und seiner Umgebung während des Dreißigjährigen Krieges. Bei Ausbruch dieses Völkermordens war Bindsachsen ein wohlhabendes Bauerndorf. Aber schon bald spürten die Bewohner unserer Heimat die Härte der Soldateska. Schon als 1620 der spanische General Spinola mit Truppen der Liga nach Gelnhausen kam, wurde der Krieg spürbar. Zu den 50 000 Gulden Kriegscontribution des Ysenburger Landes musste das Gericht Wolferborn 906 Gulden 5 Albus beisteuern. Von nun an hörten die Durchmärsche mit all ihren üblen Begleiterscheinungen nicht mehr auf. Immer mehr verarmten unsere Dörfer. Pest und Seuchen taten ein Übriges. Bei Kriegsende war nicht mehr viel von den einst blühenden Dörfern übrig geblieben. Viele Bewohner waren verstorben, vertrieben oder irrten als Soldaten und Bettler durch die deutschen Lande.
Wie sehr allein die Pest im 16. und 17. Jahrhundert in unserer engeren Heimat gewütet hat, mag folgendes erhellen: 1568 konnte das Wolferborner Gericht „des Sterbens halben“ die Frucht nicht rechtzeitig an die Herrschaft liefern. 1578 konnte „sterbenshalben“ der Markt zu Bindsachsen auf Walpurgis (1. Mai) nicht gehalten werden. 1615 in Bindsachsen. „In diesem Dorfe ist diese Zeit die Sterbensseuche gewesen, darum an diesem Orte nicht die Wagen gesetzt werden konnten.“ 1629 geben die Bindsächser an, dass sie die Geldzinsen nicht zahlen könnten, da „der halbe Teil der armen Untertanen ganz an der Hauptschwachheit darniederliege, mit einer solchen Aberwitz auch geschlagen, dass keiner dem andern im wenigsten behülflich sein könnte.“ 1639 wenden sich die Bindsächser Untertanen an die Birsteiner Regierung, man möge von dem Abtreiben der Kuhherde Abstand nehmen, „das Sterben“ lasse keine rechten Arbeiten mehr zu.
1643 leben in Bindsachsen nur noch 10 Untertanen mit ihren Familien: Conrad Kop, Adam Herbert, Henrich Kaufmann, Lenhard Faust, Hans Keiser, Michael Keiser, Dönges Lang, Gerlach Bachmann, Bast Sponheimer und Johann Mohr. Rechnen wir die Familie mit ca. 4 Personen, so lebten damals nur ca. 40 Menschen in unserem Dorf, gegenüber 200 bis 250 bei Kriegsausbruch. 1647 werden nur noch die Untertanen Adam Herbert, Johann Mohr, Dönges Lang, Hans Herdt, Michael Keiser, Lenhard Faust und Henrich Kaufmann genannt. Diese Familiennamen sind die ältesten in unserem Dorfe. Alle übrigen Familiennamen kamen erst nach dem 30 jährigen Krieg nach Bindsachsen.
Die Folgen des verheerenden Krieges ließen sich nur schwer überwinden. 1655 leben erst wieder 11 Familien im Dorf. Was nutzten da alle Aufrufe, Erlasse und Steuerbegünstigungen seitens der ysenburgischen Regierung. Es fehlte überall am Notwendigsten. Die Felder und Wiesen lagen verödet, die Ruinen der alten Hausgesäße kaum noch reparierbar. Nur langsam normalisierte sich das Leben wieder. Neue Siedler kamen in das Land. Handwerker aus der reformierten Schweiz, Badenser und Heimatlose zogen, angelockt von den Toleranzedikten der Ysenburger, in die ausgebluteten Dörfer. Auch Bindsachsen wurde mit der Zeit wieder aufgebaut, die Felder bewirtschaftet und neues Leben blühte aus den Trümmern. Aber auch das 18. Jahrhundert ließ die Menschen nicht zur Ruhe kommen. Ständige Truppendurchzüge, Winterquartiere und Ausschreitungen bedrückten die Bewohner des flachen Landes. Vornehmlich waren es die kriegerischen Ereignisse der Revolutionszeiten (1792 bis 1796) und der napoleonischen Kriege, die die geplagten Menschen in Angst und Schrecken versetzten. Erst nach dem Scheitern Napoleons setzte eine Zeit friedlichen Aufbaues ein.
Die Bewohner Bindsachsens waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausschließlich landwirtschaftlich orientiert. Die Landwirtschaft aber lag in dieser Zeit des politischen Umbruchs sehr danieder. An der misslichen Lage änderte sich auch nichts, nachdem die Grafen zu Ysenburg in ihren „Landen“ die Leibeigenschaft aufgehoben hatten. Praktische Bedeutung hatte dieses alte Herrenrecht seit den Toleranzdelikten der Grafen zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht mehr. Was die Bevölkerung nieder hielt, das lesen wir noch heute in den Aufzeichnungen unserer Gemeindearchive. Dort ist die Rede von „Weinfahrtsgeldern, Helfgeldern, Rauchhühnern, Forsthafer, Rauchhafer, Monatsgeldern, Kammergerichtsgeldern, Husarengeld, Quartiergeld, Fräuleinsteuer, herrschaftlichem Hafer und von der Pfaffenpacht.“ Bedenkt man aber, dass in den eben angeführten Abgaben keine Rede ist von „Spann- und Fuhrdiensten, von der Zehntabgabe, von herrschaftlichen Pferch- und Weidegerechtigkeiten, vom Gastwirtschaftsmonopol, von Mühlengerechtigkeiten, Jagd- und Fischereirechten“, die den Standesherren immer noch zustanden, dann nimmt es nicht wunder, dass die Landwirtschaft immer mehr verschuldete und verarmte, zumal man ja auch durch die Dreifelderwirtschaft nur einen Teil des Bodens nutzte. Lesen wir in Zeitungen dieser Zeit, so ist sehr oft die Rede von Zwangsverkäufen, Pfändungen, Konkursen und Versteigerungen.
Zu dieser äußeren Notlage kam aber bald das Auswanderungsfieber. Wo sollte unsere Heimat auch mit den vielen Menschen hin. Man stand erst am Anfang des Industriezeitalters. Auch aus Bindsachsen wanderten viele Menschen aus. Vor allem waren es Brasilien und Nordamerika, was die Menschen anzog. Allein zwischen 1828 und 1861 zogen ca.60 Einwohner fort. Auch in den folgenden Jahrzehnten verließen viele Menschen ihre Vogelsbergheimat. Viele fanden in den Großstädten des Rhein-Main-Gebietes, manche an der Ruhr, eine neue Heimat.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war geprägt von den beiden Weltkriegen. Auch an Bindsachsen ging diese schlimme und unrühmliche Zeit nicht spurlos vorüber. Existenzen wurden vernichtet und viele junge Männer , welche als Soldaten in den Krieg zogen, kehrten nicht wieder heim.
Auch die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war nicht ganz einfach. Die fortschreitende Technisierung in vielen Bereichen ebnete jedoch nach und nach den Weg in unsere heutige Wohlstandsgesellschaft. Der wirtschaftliche Aufschwung war im ganzen Land, natürlich auch in Bindsachsen, zu beobachten. An der immer höher steigenden Anzahl der Autos, der Fernsehgeräte oder auch der neu erbauten Häuser usw. lässt sich das leicht feststellen. Die ehemals fast rein landwirtschaftlich geprägte Bevölkerungsstruktur des Dorfes veränderte sich. Der weitaus größte Teil der Einwohner geht heute außerhalb des Ortes einer Erwerbstätigkeit nach. Es gibt nur noch wenige landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe. Ab Mitte der sechziger Jahre entstand am Ortsausgang in Richtung Wenings, wie in vielen anderen Gemeinden auch, ein ganzes Neubauviertel. Am Westrand des Dorfes wurde im Jahre 1969 ein neuer Sportplatz mit Sportheim eingeweiht. Noch im gleichen Jahr konnte auch die Einweihung des Dorfgemeinschaftshauses gefeiert werden. Es entstand durch den Umbau der ehemals zweiklassigen Schule.
Im Zuge der Gebietsreform schlossen sich im Jahr 1972 die Orte Bindsachsen, Kefenrod, Hitzkirchen, Helfersdorf und Burgbracht zur Großgemeinde Kefenrod zusammen. Die Gemeindeverwaltung hat ihren Sitz in Kefenrod. Notwendig geworden waren auch der Bau eines neuen, größeren Hochbehälters für die Wasserleitung und unterhalb des Dorfes einer Teichkläranlage. Beide Projekte wurden im Jahre 1986 fertiggestellt.
Anfangs der 90er Jahre entstand ein weiteres Neubaugebiet oberhalb der Struth. 1994 wurde das Dorfgemeinschaftshaus mit starker Initiative der Bevölkerung Bindsachsens um- bzw. neu angebaut.
Das Wahrzeichen von Bindsachsen ist die alte Wehrkirche innerhalb der Friedhofsmauern auf dem Lindenberg. Zurückgehend auf die Einweihung dieser Kirche wird heute noch, wenn auch in sehr weltlicher Form, alljährlich am ersten Wochenende im Mai die Bindsächser Maikirmes gefeiert. Auch hier hat sich in den letzten 40 Jahren manches gewandelt. Während früher die beiden Gastwirte des Dorfes turnusmäßig in ihren Räumen die Kirchweihe abhielten, wird heute von den örtlichen Vereinen im Rahmen einer Vereinsgemeinschaft diese Veranstaltung in einem großen Festzelt in eigener Regie durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde in der Nähe des Sportgeländes ein befestigter Platz geschaffen.
Schultheißen und Bürgermeister von Bindsachsen:
1763 | Johann Christof Reyßert, Schultheiß zu Bindsachsen |
bis 1823 | Naumann |
1824-1844 | Imhoff |
1845-1874 | Konrad Velte |
1875-1901 | Konrad Hammerschmidt |
1902-1925 | Konrad Eschenbrenner V. |
1925-1931 | Konrad Jakob Kleer |
1931-1945 | Otto Höfling |
1946-1948 | Konrad Seeger |
1948-1952 | Johannes Schäfer |
1952-1964 | Theodor Ganz |
1964-1989 | Otto Mordier |
seit 1990 | Bernd Kling |
Die nachfolgenden Bevölkerungszahlen zeigen, wie sich Bindsachsen im Laufe seiner Geschichte entwickelt hat.
1596 | 41 Untertanen | ca. 150 Einwohner |
1551 | 34 Hausgesäße | ca. 160 bis 200 Einwohner |
1622 | 50 Hausgesäße | ca. 200 bis 250 Einwohner |
1629 | 48 Hausgesäße | ca. 190 bis 240 Einwohner |
1643 | 10 Untertanen | ca. 40 Einwohner |
1655 | 11 Untertanen | ca. 50-60 Einwohner |
1663 | 24 Untertanen | ca. 95 Einwohner |
1686 | 30 Untertanen | ca. 120-150 Einwohner |
1697 | 31 Untertanen | ca. 150 Einwohner |
1711 | 45 Familien | ca. 220 Einwohner |
1728 | 57 Untertanen | ca. 300 Einwohner |
1814 | 440 Einwohner | |
1828 | 472 Einwohner | |
1861 | 530 Einwohner | |
1910 | 515 Einwohner | |
1939 | 491 Einwohner | |
1946 | 677 Einwohner | |
1950 | 693 Einwohner | |
1959 | 646 Einwohner | |
1975 | 701 Einwohner | |
1985 | 740 Einwohner | |
2001 | 909 Einwohner |
Quellenangabe: Festschrift des Gesangvereins „Sängerlust“ Bindsachsen 1986 (Aufsatz von Herrn Hans-Velten Heuson)