Bezugs- und Absatzgenossenschaft
Aus unserem Festbuch zum Jubiläum 2002.
Von Heinrich Schrimpf.
Im Jahre 1920 griffen die Landwirte von Bindsachsen zur Selbsthilfe, sie gründeten im Geiste und nach der Idee von Fr. Wilhelm Raiffeisen eine Landwirtschaftliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft. Ihre Erzeugnisse, überwiegend Getreide, verkauften sie nun gemeinschaftlich.
Durch zusammengefasste, größere Mengen und durch die Ausschaltung des Zwischenhandels, erzielten sie einen höheren Gewinn. Sie waren von nun an nicht mehr auf die Händler angewiesen. Genauso handhabten sie es auch beim Einkauf ihrer Betriebsmittel, in der Hauptsache Saatgut und Düngemittel. Laut Genossenschaftsgesetz wurde die Landwirtschaftliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft Bindsachsen eine eGmbH und wurde beim Amtsgericht in Büdingen in das Genossenschaftsregister eingetragen. Die örtliche Genossenschaft war dem Dachverband „Ländlicher Genossenschaftsverband Frankfurt“ angeschlossen. Dieser führte auch die Beratung und die gesetzliche Prüfung durch. Organe der Genossenschaft waren laut Satzung Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung. Vorstand und Aufsichtsrat fungierten ehrenamtlich, der Geschäftsführer war fest angestellt mit Entlohnung. Laut Satzung musste die Generalversammlung, sie war das höchste Organ der Genossenschaft, mindestens 1 mal im Jahr zusammengerufen werden. Vorstand und Aufsichtsrat mussten hierbei über den gesamten Geschäftsablauf und die gesetzliche Prüfung Bericht erstatten. Erster Vorsitzender des Vorstandes war Heinrich Eschbrenner I., ihm folgte sein Sohn Theo Eschenbrenner, als letzter fungierte in diesem Amt dessen Sohn Erich Eschenbrenner. Erster Aufsichtsratsvorsitzender war Wilhelm Karl Kehm, ihm folgte Heinrich Schrimpf und als letzter Rudolf Höfling. Erster Geschäftsführer, welcher auch an der Gründung maßgeblich beteiligt war, war der damalige Dorfschullehrer Hermann Knaus. Nach dessen Versetzung als Lehrer nach Lindheim übernahm der Vorsitzende des Vorstandes Heinrich Eschenbrenner I. die Geschäftsführung. Ihm folgte Konrad Maul IV. (Kippelschneider) in diesem Amt. Nach dem Kriege führte dann bis zur Fusion mit der Volksbank Gedern Heinrich Ganz (Gartleppsches Heine) die Geschäfte. Als Lagerhalter fungierten Karl Kehm, Karl Ganz II. und für kurze Zeit Wilfried Ganz, letzter Lagerhalter war Erich Eschenbrenner. Jedes Mitglied musste je nach Betriebsgröße eine bestimmte Anzahl Geschäftsanteile zeichnen, um das benötigte Eigenkapital der Genossenschaft bilden zu können. Im Gründungsjahr waren 35 Mitglieder eingetragen.
Im Jahre 1933 kaufte die Bürgerliche Gemeinde Bindsachsen von dem Frucht- und Mehlhändler Isidor Felsenthal, welcher nach Amerika auswanderte, die in der Hauptstraße 64 stehende Lagerhalle. Die Gemeinde überließ in den folgenden Jahren dieses Gebäude der örtlichen Genossenschaft. Ende der 40-er Jahre kaufte die Genossenschaft diese Halle und baute sie weiter aus. Durch die Benutzung der Halle war es nun möglich den gesamten Geschäftsbetrieb zu intensivieren. Für die Mitglieder war dies von großem Nutzen. Mitte der 30-er Jahre wurde eine Saatgutreinigungsanlage in Betrieb genommen. Als weitere Dienstleistungsbetriebe folgten dann nach dem Kriege eine Wäscherei, eine Gemeinschaftsgefrieranlage sowie eine Kartoffeldämpfanlage. Wäscherei und Gefrieranlage arbeiteten zum Nutzen der gesamten Bevölkerung im Dorf. Die Entwicklung im gesamten ländlichen Raum und Umstrukturierungen in der Landwirtschaft machte bei den Genossenschaften einen Zusammenschluss über die Dorfgrenzen hinaus erforderlich.
Im Jahre 1970, im 50. Jahre nach der Gründung, fusionierte man mit der Volksbank Gedern. Im Vorjahr der Fusion hatte die LBAG-Bindsachsen einen Umsatz von 271.371 DM und schrieb keine roten Zahlen. Die Volksbank Gedern übernahm das Warengeschäft und die angegliederten Dienstleistungsbetriebe. Diese wurden aber durch die allgemeine Entwicklung in den folgenden Jahren nicht mehr benötigt. Die Haushaltsgefriertruhe ersetzte die Gefrieranlage und die eigene Waschmaschine im Haus die Wäscherei, Kartoffeln wurden zur Schweinemast nicht mehr angebaut, somit war auch die Dampfkolonne überflüssig. Die Volksbank Gedern, welche nun Eigentümer der Lagerhalle war, riss einen Teil dieser Halle ab und erbaute hier eine Zweigstelle für Geldgeschäfte, welche von der Bevölkerung in Bindsachsen sehr gut angenommen wurde. Leider ist diese Zweigstelle auch schon wieder der Fusions- und Zentralisierungswelle zum Opfer gefallen.
Das Warengeschäft wurde 4 Jahre nach der Fusion von der Volksbank Gedern wieder ausgegliedert. Man gründete nun die Warengenossenschaft Ober-Seemen. Die Lagerhalle der ehemaligen Bezugs- und Absatzgenossenschaft Bindsachsen blieb Eigentum der Volksbank Gedern. Die Mitglieder in Bindsachsen wurden nun von der Warengenossenschaft Ober-Seemen aus betreut. Das Warenlager in Bindsachsen wurde nun Zug um Zug abgebaut und letztendlich geschlossen. Die Warengenossenschaft Ober-Seemen schloss sich mit der Warengenossenschaft Wenings zusammen und man verlegte nach und nach den gesamten Geschäftsbetrieb nach Wenings. Seit kurzem wird die Genossenschaft unter dem Namen Raiffeisen Wenings geführt.